17. November 2018

An den Idioten, der mich zu dick für einen Bikini nannte...

Hallo Du,

Vermutlich hättest du nie gedacht, dass ich mal ein paar Zeilen an dich richte. Ich bin ehrlich: Auch ich hätte es nicht erwartet. Ich weiß nicht mal mehr deinen Namen, weiß  nicht mehr genau wie du aussahst. Ich weiß nur, dass wir uns über gemeinsame, damalige Freunde kannten und aus diesem Grund gemeinsam in einem Schwimmbad waren.
Ich war damals 16 oder 17, ich weiß es nicht mehr genau. Ich war unsicher mit meiner Figur, weil ich nicht den selben Körperbau wie alle anderen Mädels in meiner Klassenstufe hatte. Ich hatte seit der Pubertät immer eine breitere Hüfte, ich trug Kleidergröße 38 und hatte Rundungen. Das Einzige, was ich an meinem Körper mochte waren meine Augen, meine Sommersprossen, meine Haarfarbe und meine Brüste. Was ich nicht mochte: Den Rest. Ich konnte weder meinen "schwabbeligen" Bauch sehen, der rückblickend betrachtet vielleicht nicht trainiert aber flach war, noch meine dicken Oberschenkel, meine breiten Schultern, meine Nase oder gar die Dehnungsstreifen an meinem ganzen Körper. Ich konnte diese Hülle kaum ertragen, obwohl mein Körper mich doch immer schützte und überall hin begleitete - alles mit mir durchstand.
Und dann kamst du. Ich hatte einen Badeanzug an, weil ich mich nicht traute meinen Körper in einem Bikini zu präsentieren, schließlich war mein Bauch nicht flach genug & so konnte ich immerhin diesen verstecken. Mein damaliger Freund & einer seiner besten Freunde verstanden das überhaupt nicht, für sie hatte ich eine tolle Figur, das bisschen Fett störte sie überhaupt nicht. Sie versuchten mein Bild von mir zu verändern: Doch dann kamst du zu diesem Gespräch dazu und bekanntest ganz offen, dass es gut so wäre, dass ich meinen zu dicken Körper verstecke, sowas wolle doch keiner sehen. Diese Worte machten etwas in mir. Sie hallten nach - Lange nach. Auch mit 25 hörte ich sie noch oft genug im meinem Kopf.
Sätze wie diesen nennt man Bodyshaming. Damals kannte ich diesen Begriff nicht. Ich fühlte mich bestätigt in meiner Meinung - aber nicht in meinem Körper. Diesen versuchte ich fortan, ganz besonders in einen Badeanzug gezwängt, zu verstecken. Immer legte ich meine Arme vor meinen Körper, wenn ich ging, legte mir ein Handtuch um oder versuchte anderweitig meine Fülle zu verstecken. Dank deiner Worte. Die Blicke anderer Personen und die Äußerung einer Sportlehrerin  machten es nicht leichter. Irgendwann wurde ich dann das, als was du mich schon lange sahst. Ich hatte Kleidergröße 46! All meine Sorgen - auch die um meinen Körper - aß ich nämlich (wortwörtllich) einfach auf. Ich wurde gefragt ob ich schwanger sei, weil ich in kurzer Zeit so viel zugenommen hatte. Was nicht stimmte, das fragte niemand.

Irgendwann fand ich durch Zufall zu etwas, was mein Leben veränderte. Ich fand den Weg zu Bodypositivity:  Zu Menschen, die darauf aufmerksam mach(t)en, dass man seinen Körper lieben sollte, egal welche Form er hat. Dass man sich nicht von Außen lenken lassen sollte, akzeptieren sollte, das man die aktuelle Figur hat, ass es okay ist nicht die Frau oder der Mann zu sein, die man in Modezeitschriften oder im Fernsehen sieht. Ich lernte, dass es okay ist meinen Körper zu lieben und zu schätzen. Ich lernte, dass man sich auch mit Bauch, breiter Hüfte, dicken Oberschenkeln und einer komischen Nase wohl fühlen und lieben kann. Der Weg das entdeckte umzusetzen war verdammt weit und schwer. Manchmal schwanke ich noch heute. Aber es war die Grundlage um meinem Körper auch Gutes zu tun. Ihm Liebe zu schenken & ihm Ballast zu nehmen. Schließlich möchte noch sehr viele Jahre mit ihm verbringen. Heute sind mir deine Worte egal - sie beeinflussen mich nicht mehr.

Ich musste Lächeln als ich mich letztens in einem Spiegel sah: Mit Kleidergröße 40 - 44. Ich sah mich, mit einem Strahlen im Gesicht, meinem kleinen Bäuchlein, meinen Oberschenkeln, meinen Dehnungsstreifen, und meiner Nase. Meine Armen hingen locker neben meinem Körper herunter. Der Spiegel steht in einer Therme. Und ich hatte einen Bikini an.


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